Stochastische Modellierung im Gymnasialunterricht

Autor
Hansruedi Künsch  

Im Mathematikunterricht im Gymnasium wird seit einiger Zeit auch die mathematische Modellierung anhand von Differentialgleichungen besprochen. In Anwendungen ausserhalb der Physik, insbesondere in der Biologie, ist jedoch eine rein deterministische Modellierung oft fragwürdig, da sie der inhärenten Unsicherheit der betrachteten Prozesse nicht gerecht wird und die natürliche Variabilität nicht wiedergeben kann. Ferner gibt es viele Situationen, wo die betrachteten Variablen Anzahlen sind, die sich nur sprungweise verändern können.

Als Alternative bieten sich stochastische Modelle an, insbesondere Markovprozesse, bei denen die weitere Entwicklung nur vom jetzigen Zustand und nicht von der ganzen Vergangenheit abhängt. Sind die möglichen Zustände diskret, also z.B. Anzahlen, dann spricht man von Markovketten. In diesen Modellen sind die Wahrscheinlichkeiten für die möglichen Sprünge vom momentanen in einen neuen Zustand während eines kleinen Zeitschritts proportional zum betrachteten Zeitschritt, mit einer Proportionalitätskonstante, die nur vom momentanen Zustand abhängt und Übergangsrate genannt wird. In diesem Lesetext wird gezeigt, wie man auf diese Weise ein Modell konstruieren kann, das sich mit Hilfe von einem Zufallszahlengenerator leicht simulieren lässt.

Zuerst werden verschiedene Varianten von Markovketten behandelt, die dem exponentiellen Wachstum enstprechen: Der reine Geburtsprozess, der Geburts- und Todesprozess und der Geburts- und Todesprozess mit Immigration. Danach wird gezeigt, wie man mit den gleichen Überlegungen die stochastische Version des sogennanten SIR-Modells (Susceptible - Infected - Recovered) konstruiert. In all diesen Beispielen werden simulierte Verläufe des Prozesses gezeigt, welche die zum Teil drastischen Unterschiede zum deterministischen Modell aufzeigen. Für eigene Experimente mit anderen Parameterwerten steht die Implementation im Softwaresystem R zur Verfügung.

Im letzten Abschnitt geht der Text noch etwas auf die analytische Behandlung der Modelle ein: Es wird eine Differentialgleichung für die Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeiten einer allgemeinen Markovkette aus den Übergangsraten hergeleitet, und es wird diskutiert, wann diese Übergangswahrscheinlichkeiten für grosse Zeiten gegen eine stationäre Verteilung konvergieren. Dabei ergeben sich interessante Anwendungen der Matrizenrechnung.

  • Schwächen von deterministischen Differentialgleichungsmodellen mit biologischem Hintergrund erkennen
  • Stochastische Pendants dieser Modelle kennenlernen, welche den Unsicherheiten und der natürlichen Variabilität Rechnung tragen
  • Unterschiede zwischen dem Verhalten von Lösungen der deterministischen und der stochastischen Variante eines Modells anhand von Simulationen anschaulich machen
  • Anwendungen der linearen Algebra in der Stochastik entdecken
     
  • Modellierung mit Differentialgleichungen, Änderungsrate
  • Diskrete Wahrscheinlichkeitsrechnung: Bedingte Wahrscheinlichkeit, Unabhängigkeit, Zufallsvariablen, Erwartungswert, Erzeugung von Zufallszahlen auf dem Computer
  • Für die Beweise in Abschnitt 2: Gesetz der grossen Zahlen, Irrfahrt
  • Für Abschnitt 4: Lineare Algebra (Matrizen, Eigenwerte)
JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert